Die Eurozone ist bislang zwar verschont geblieben von Bankenpleiten. Doch einige Regeln für Banken müssen strenger werden, fordern Ökonomen
Nach 2008 sollte alles besser werden. Nie wieder sollten Steuerzahler für die Probleme der Banken aufkommen, die diese durch ausgeprägtes Profit-Streben verursachen. Dafür wurden mit dem Rahmenwerk „Basel III“ umfangreiche Vorgaben für den Bankensektor erlassen. Doch das, was in den vergangenen beiden Wochen passierte, machen diese Versprechungen für viele unglaubwürdig.
Mit milliardenschweren Eingriffen stützten Staaten und Zentralbanken mehrere Institute, darunter die Silicon Valley Bank in den USA und die Credit Suisse in der Schweiz. Was also ist schiefgelaufen bei der Banken-Regulierung – und warum sind die Regeln teilweise immer noch zu lax?
Über die Frage der richtigen Regulierung streiten Ökonomen seit Jahren. Die Banken selbst sehen sich – wenig überraschend – zu Unrecht in der Kritik. Sie verweisen darauf, die Vorgaben der Regulierer umgesetzt zu haben, darunter mehr Eigenkapital, höhere Kapitalpuffer und eine Verschuldungsobergrenze. Doch anscheinend gibt es nach wie vor Lücken:
Höhere Eigenkapitalanforderungen
Eines der wichtigsten Regulierungsinstrumente sind ebenjene Eigenmittelvorgaben für Banken. Eine Wirtschaftskrise könnte beispielsweise dafür sorgen, dass Kunden ihr Erspartes aufbrauchen und von der Bank abheben. Um einen Bargeld-Engpass zu vermeiden, müssen Banken einen Teil ihrer Kundeneinlagen als flüssige Mittel halten und können diese nicht weitergeben – beispielsweise in Form von Krediten. Wie hoch dieser Anteil sein muss, darüber gibt es unterschiedliche Meinungen.
Vor der Finanzkrise lag der Puffer bei etwa zwei bis drei Prozent der gesamten Einlagen. Nach der Finanzkrise wurde das massiv verschärft. Inzwischen sind laut den geltenden Aufsichtsregeln „Basel III“ mindestens 4,5 Prozent harte Kernkapitalquote (CET 1) notwendig. Bei einigen „systemrelevanten“ Großbanken liegt die Quote sogar deutlich höher – die Deutsche Bank muss beispielsweise 10,55 Prozent erfüllen. Wie viel eine Bank zurückhalten muss, entscheidet die zuständige Regulierungsbehörde individuell.
Nach den Insolvenzen von US-Banken und der Übernahme der Credit Suisse beruhigen sich die Märkte wieder. Für eine Entwarnung ist es zwar noch zu früh – doch Panik ist für Anleger jetzt der falsche Ratgeber
Für die Banken ist das unabhängig von der Höhe ein Kraftakt. Denn je mehr Einlagen sie zurücklegen müssen, umso weniger Geld können sie weiterverleihen und daran verdienen. Das war vor allem während der Niedrigzinsphase ein Problem, so behaupteten es zumindest Banken, weshalb viele Institute ihr Geld in langlaufende Staatsanleihen steckten. Diese brachten zwar mehr Rendite, als das Geld „über Nacht“ bei der Zentralbank zu parken. Doch als die Zinsen im vergangenen Jahr im Rekordtempo stiegen, wurden die Anleihen für viele Banken zum Problem – allen voran für die Silicon Valley Bank (SVB) in den USA.
Deren Kunden waren überwiegend Start-ups, für die steigende Zinsen höhere Kosten bedeuten. Also lebten sie zunächst von ihren Einlagen bei der SVB, die den erhöhten Bedarf irgendwann nicht mehr decken konnte. In der Folge verkaufte sie mit hohem Verlust ihre langlaufenden Staatsanleihen. Als sich die Verluste türmten, verloren die Kundinnen und Kunden das Vertrauen, und die SVB ging kurz darauf pleite.
So etwas ist auch in Europa nicht auszuschließen. Selbst die Sparkassen schrieben zuletzt rund 8 Mrd. Euro auf langlaufende Anleihen ab. In der Regel ist das jedoch kein Problem, solange die Anleihen bis zur Fälligkeit gehalten werden können.
Eurozone hat Basel III noch nicht voll umgesetzt
Um den Finanzsektor noch stabiler zu machen, fordert beispielsweise die Bürgerbewegung Finanzwende schon länger höhere Eigenkapitalquoten für Banken. Statt der durchschnittlichen 4,5 bis 5,5 Prozent Eigenmittelvorgaben seien mindestens 10 Prozent notwendig, sagte der Leiter für „Finanzsysteme und Realwirtschaft“, Michael Peters, jüngst im Podcast „Lage der Nation“. „Die Regeln hierzulande sind nicht besser als in den USA oder in der Schweiz“, so Peters. Eigentlich seien mit „Basel III“ Standards gesetzt worden. Doch diese seien weder ausreichend noch werden sie komplett umgesetzt – anders als etwa in den USA. „Und selbst da haben wir jetzt gesehen, dass das nicht ausreichend ist.“
Bankenökonomen wie Andreas Pfingsten von der Universität Münster halten dem entgegen, dass die Bankenregulierung grundsätzlich ausreichend sei – vor allem bei der großen Anzahl kleiner und mittelgroßer Institute. Dort stimme sogar das Gegenteil. „Bei ihnen sehe ich eher das Problem, dass sie administrativ überreguliert sind. Das führt zu einem enormen Kostendruck, der häufig in Fusionen mündet“, so Pfingsten zu Capital. Das könne eigentlich nicht im Sinne der Regulierer sein. Denn je größer das Institut, umso schwieriger die Abwicklung im Insolvenzfall.
In der Schweiz entsteht mit der Übernahme der Credit Suisse durch die UBS ein Banken-Riese. Die Märkte sind weiter nervös und sorgen sich vor Ansteckungseffekten auf weitere Banken
Eine Überlegung wert sei zum Beispiel, welche Anforderungen nicht mehr als Institut erfüllt werden müssten, sondern nur noch im Verbund – beispielsweise bei Volksbanken oder Sparkassen. „Man muss sich im Einzelfall stark hinterfragen, welche neue Vorgaben im Großen wirklich etwas bringen. Viele Vorgaben brauchen einen eigenen Beauftragten in der Bank. Und vor allem kleine Institute, die für sich genommen gar nicht systemrelevant sind, können sich das auf Dauer nicht mehr leisten.“
Auch anderen Ökonomen wie Sascha Steffen von der Frankfurt School of Finance & Management glauben, dass die Regulierung das Finanzsystem grundsätzlich sicherer macht. „Regeln haben wir genug, wir müssen sie nur ordentlich anwenden.“ Er erwartet jetzt neue und bessere Stresstests bei Banken. In die Methodik müssten die jüngsten Entwicklungen in der Schweiz und den USA einfließen.
Die Vorsitzende des Sachverständigenrates, Monika Schnitzer, will in einem neuen Stresstest-Verfahren künftig beispielsweise prüfen, ob Staatsanleihen in Bank-Bilanzen wirklich kein Risiko darstellen oder doch mit Eigenkapital hinterlegt werden sollten. Ähnliches deutet sich jetzt schon in den USA an.
Europäische Einlagensicherung: Sinnvoll oder nicht?
Die Bürgerbewegung Finanzwende ist dennoch skeptisch, ob das alles reicht. Besseren Schutz könnte zum Beispiel eine europäische Einlagensicherung bringen. Aktuell erhalten Kundinnen und Kundinnen 100.000 Euro sicher zurück, auch wenn ihre Bank insolvent geht. In den USA sind es gesetzlich sogar 250.000 Euro – und die politischen Aussagen lassen den Schluss zu, dass die Summe noch höher sein könnte.
Die Kundinnen und Kunden in den USA und der Schweiz seien möglicherweise mit einem blauen Auge davongekommen, sagt Peters von Finanzwende. In den beiden Ländern konnte innerhalb des eigenen Staates zügig eine Lösung gefunden werden. Würden Banken in der Eurozone insolvent gehen, gebe es zwar nur eine Abwicklungsbehörde, aber 20 verschiedene Einlagensicherungssysteme – für jedes Land eines. „Mir fehlt die Vorstellungskraft, wie man die Credit Suisse bei uns über das Wochenende gerettet hätte“, sagt Peters.
Doch auch in den USA ist die Debatte voll entbrannt, bis zu welcher Höhe Bankeinlagen garantiert sind. Eine „pauschale“ Einlagensicherung sei nicht angestrebt, sagte US-Finanzministerin Janet Yellen am Mittwochabend vor einem Senatsausschuss auf die Frage, ob der Schutz für alle US-Einlagen die Zustimmung des Kongresses erfordern würde. Zwar sei eine vorübergehende Erhöhung der Einlagensicherung denkbar, aber unbegrenzt geschehe dies nicht. Diese Frage könnte sich in naher Zukunft auch in der Eurozone stellen – wenngleich bislang keine größeren Probleme bei Banken bekannt geworden sind.
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Author: Jonathan Smith
Last Updated: 1703858041
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